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Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht (Wehling, 2018)

Darum geht es in diesem Buch

Carl Naughton (2018): Neugier – So schaffen Sie Lust auf Neues und Veränderung.

98% (!) unseres Denkens sind uns nicht bewusst. Um Worte zu verstehen, ruft unser Gehirn, ohne dass wir es merken, ganze Bibliotheken mit gespeichertem Wissen ab. Um Energie zu sparen, greift es auf bereits erlebte Bewegungsabläufe, Gefühle, Gerüche und visuelle Eindrücke zurück.

 

Ein Wort ist dementsprechend mehr als das offensichtliche Konzept, wofür es steht. Jedes Wort aktiviert einen Frame (Deutungsrahmen). Dieser beinhaltet eine ganze Fülle von Ideen, die unser Gehirn aufgrund unserer Welterfahrung mit diesem einen Wort verknüpft. Diese Frames beeinflussen stark unsere Wahrnehmung: Passt ein Fakt in unseren Frame, nehmen wir ihn leicht war. Was sich ausserhalb des aktivierten Frames befindet, ignoriert unser Gehirn lieber. Frames werden über Sprache aktiviert und beeinflussen unser Handeln unmittelbar. Sprache formt unsere Realität – oder zumindest das, was wir als Realität wahrnehmen.

 

Elisabeth Wehlings Buch ist eine Einführung in die Theorie des Framings. Mit Beispielen zeigt sie auf, dass in politischen Debatten nicht Fakten, sondern die kognitiven Deutungsrahmen, entscheidend sind. Erst durch Frames erhalten Fakten eine Bedeutung.

Deshalb habe ich dieses Buch gelesen

Meine Mutter hat sofort an mich gedacht, als Jacqueline Badran dieses Buch im Literaturclub empfohlen hat. Und sie hatte recht: Das Thema interessiert mich brennend und wird mich auch nach der Lektüre weiter begleiten.

Was ich aus diesem Buch mitnehme

  • Der Mensch ist NICHT rational. Frames (Deutungsrahmen) steuern unser Denken und schliesslich auch unser Handeln. Sie werden durch Sprache unbewusst im Gehirn aktiviert. Durch sie erhalten Fakten erst eine Bedeutung. Die aktivierten Frames bestimmen, wie leicht oder schwer wir eine Information aufnehmen können.
  • Frames sind immer persönlich und selektiv. Einige Fakten und Realitäten werden hervorgehoben, andere ignoriert. Wir bewerten und interpretieren innerhalb unserer Frames. 
  • Ein Wort ist viel (wirklich viel!) mehr als die Summe seiner Buchstaben. Ein Wort öffnet immer das Tor zu einer Fülle unbewusster Informationsverknüpfungen. Das macht Sprache – gerade in der Politik – zu einem unglaublich mächtigen Instrument. Sprache konstruiert Wirklichkeit und macht Politik. Man sollte vorsichtig damit umgehen!
  • Verstehen ist ein körperlicher Vorgang. Wir begreifen Worte, indem unser Gehirn körperliche Vorgänge abruft, die mit den Worten assoziiert sind («verkörperlichte Kognition» / «kognitive Simulation»). Wir können zum Beispiel das Wort «Hammer» nicht verstehen, ohne die dazugehörende Bewegung unbewusst gedanklich auszuführen. Diese kognitive Simulation kann zum Problem werden, wenn sie tatsächlichen Körperbewegungen widerspricht. Lesen wir auf einer Tür «ziehen», wollen sie aber aufdrücken, gerät unser Gehirn in einen motorischen Entscheidungskonflikt und hat Schwierigkeiten zu verstehen. 
  • Wir verstehen in Konzepten hinter Konzepten (Frames). Hören oder lesen wir ein Wort, simulieren wir nicht nur das jeweils repräsentierte einzelne Konzept, sondern zusätzlich eine ganze Reihe anderer Konzepte. Aus «Der Vogel ist am Himmel.» generiert unser Gehirn zum Beispiel die sinngebenden Frames «fliegen, ausgespannte Flügel, hochsehen, oben, ...».
  • «Wer in Diskursen dagegen ist oder sich verteidigt, hat […] in aller Regel schon verloren!» (S.52)  Wenn man die Idee seines Gegners in seinen Worten verneint, aktiviert man in den Köpfen der Zuhörer*innen oder Leser*innen die Frames seiner Worte. Will man seine eigene Weltsicht propagieren und nicht die des Gegners, sollte man das unbedingt vermeiden.
  • Politische Ideen sind immer abstrakt. Abstrakte Ideen werden über konzeptuelle Metaphern an körperliche Erfahrungen geknüpft und so denkbar gemacht.
  • Ich werde meine eigene Wahrnehmung und Sprache nachhaltig hinterfragen. Mit scheinbar allgemein gültigen Frames möchte ich mich kritischer auseinandersetzen.

Meine Lieblingspassagen

«Wir begreifen, was einer sagt, indem unser Gehirn so tut, als würden wir selbst es sagen.» (S.23)

«Wir simulieren […], was wir hören oder lesen, um es zu verstehen. Dieser Prozess ist wichtig, um Worte zu begreifen.» (S.24)

«Frames führen […] dazu, dass sich einzelne Worte über das aufgerufene singuläre Konzept hinaus auf unsere Wahrnehmung der Welt auswirken!» (S.33)

«Frames sind Zeugnis für die intime Verflechtung von Sprache und Körper, vom Einfluss von Sprache auf unser Denken und unsere Wahrnehmung.» (S.36)

«Sprache übersetzt sich […] direkt in Handlungen.» (S.40)

«Bewusstes politisches Framing ist eine Überlebensstrategie für unsere Demokratie.» (S.43)

«Nicht Fakten, sondern Frames sind die Grundlage unserer alltäglichen sozialen, ökonomischen und politischen Entscheidungen.» (S.45)

«Wann immer man in der politischen Debatte […] gegen bestimmte Massnahmen oder Ideologien argumentiert, verheddert man sich sprachlich – und damit gedanklich – in der Weltsicht des Gegners, anstatt in den Köpfen seiner Zuhörer einen Frame zu aktivieren, der von der eigenen politischen Weltsicht erzählt.» (S.56)

«Je öfter wir Worte oder Sätze hören, die bestimmte Ideen miteinander assoziieren, desto selbstverständlicher wird diese Assoziation Teil unseres alltäglichen Denkens und formt langfristig unsere Wahrnehmung.» (S.58)

«Was in Diskursen nicht gesagt wird, wird […] nicht gedacht. Denn wo die Worte fehlen, […] können auch die Gedanken nicht etabliert werden oder langfristig bestehen. Die Schaltkreise in unserm Gehirn werden nicht angeworfen, sie verkümmern!» (S.65)

«Sprache aktiviert und festigt Metaphern in unserem Gehirn!» (S.70)

«Metaphorischer Sprachgebrauch aktiviert eine ganze Heerschar von Ideen und Interferenzen, die im 'eigentlichen' Wort nicht stecken.» (S.72)

An diese Menschen habe ich beim Lesen öfter gedacht

An Dorothee Brumann und Chantal Schmelz, weil ich euch sofort in jedes politische Amt wählen würde und euch das bewusste Framing beim Debattieren helfen könnte.

An Sigi Lieb, weil ich überzeugt bin, dass Framing auch in Bezug auf die Diskussion rund um das Gendern eine grosse Rolle spielt.

An Isabelle Sailer, weil wir immer wieder über verschiedene Deutungsweisen von Wörtern in unseren Texten diskutieren und wir beide bewusst mit unseren Worten umgehen wollen. (Ich weiss, du hast dir das Buch schon geholt. Viel Spass damit!)

Das würde ich der Autorin dieses Buches gerne sagen

Liebe Elisabeth Wehling

Danke, dass Sie sich mit Ihrer Arbeit dafür einsetzen, dass mit Sprache achtsamer und bewusster umgegangen wird. Unsere Sprache formt unsere Realität. Es lohnt sich, die Worte, die man teilt, mit Bedacht zu wählen. Diese Erkenntnis wird mich in meinem beruflichen Alltag (auch als Nicht-Politikerin!) begleiten und ich werde politische Debatten nun noch aufmerksamer verfolgen.  

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